Montag, 30. April 2012

Am Fuß des Vulkans / At the foot of the volcano


© Torben Weiss

Vor fast 40 Jahren brach der Vulkan Eldfell auf der Insel Heimaey aus. Lava und Felsbrocken verschütteten den halben Ort. Der Strom aus flüssigem Stein floss nur wenige Meter vor Jóns Haus entlang, direkt auf der anderen Straßenseite. Im Wohnzimmer von Jón hängt ein Ölgemälde, es zeigt die Bucht von Heimaey, in der Ferne die Felsenküste, im Vordergrund Häuser mit roten Dächern. Das Bild hat Jón selbst gemalt, in Anlehnung an die Aussicht aus seinem Schlafzimmerfenster - vor dem Ausbruch. "Damals lag mein Haus mitten im Stadtkern", sagt er.

Wenn er heute aus dem Fenster im obersten Stockwerk schaut, sieht er nur grün bewachsene Hügel. Jón ist 87 Jahre alt, er ist Rechtsanwalt. Noch immer kommen Menschen in sein Büro im Erdgeschoss und fragen ihn um Rat. Aufgewachsen ist er auf einem Hof in Höfn, zusammen mit seinem Bruder Thorleifur. Später zog er auf die Insel. Nur wenige Wochen nach dem Vulkanausbruch kehrte er nach Heimaey zurück, schaufelte tonnenweise Vulkanasche aus der Ruine seines Hauses und baute es wieder auf. "In dem Moment sind die Vestmannaeyjar zu meinem Zuhause geworden", sagt er.

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 Nearly forty years ago the volcano Eldfell erupted on the island Heimaey. Lava and boulder buried half the city. The stream of molten stone flew directly past Jons Haus, on the opposite side of the street. In Jons living room hangs an oil painting. It depicts the bay of Heimaey, the stone coast in the background. In the foreground, there are houses with red rooftops. Jon painted the picture himself, according to the view from his bedroom window before the eruption. "During that time, my house was in the middle of the city", he says.

Nowadays, when he looks out of the window in the top floor, he only sees green hills. Jón is 87 years old, he is a lawyer. People still come to his bureau in the basement to ask for advice. He grew up on a farm near Hofn, together with his brother Thorleifur, later he moved to the Westman Islands. Only a few weeks after the eruption of the volcano, he came back to the islands, shovelled tons of ash from the ruin of his house and rebuilt it. "In that moment, the Westman Islands became my home", he says.

Donnerstag, 26. April 2012

Kabeljau, Ahoi! // Codfish Ahoy!

© Torben Weiß

© Torben Weiß

© Torben Weiß

© Torben Weiß

© Torben Weiß

© Torben Weiß


Es ist fünf Uhr morgens, der Himmel über dem Hafen der Insel Heimaey ist noch dunkelblau. Das Deck der Glófaxi wird nur durch das gelbe Licht der Scheinwerfer erhellt. Es ist der letzte Tag der Kabeljau-Saison auf den Vestmannaeyjar. 25 Tonnen müssen die Fischer heute an Land bringen, um die Quote voll auszuschöpfen, die ihnen zugewiesen ist. Kapitän ´Olafur fährt seit 17 Jahren zur See. Vorher war er Sportlehrer, aber in der Fischerei steckt mehr Geld. "In einer guten Saison kann ich in wenigen Monaten mehr verdienen als früher in einem ganzen Jahr", sagt er. Auf den Vestmannaeyjar leben etwa 4000 Menschen, viele verdienen ihr Geld mit dem Fischfang. Im Sommer kommen Jugendliche aus ganz Island, auf die Inseln, um während der Ferien in den Fischfabriken zu arbeiten.

Die gesamte Crew auf der Glófaxi ist vom Besitzer des Schiffes angeheuert - auch Kapitän ´Olafur. Dennoch ist der Lohn der Männer an die Menge an Fisch gekoppelt, die sie fangen – und hängt damit vor allem vom Geschick des Kapitäns ab. Er bestimmt, wo die langen Netz-Trossen ausgelegt werden. "Lavafelsen, Ebenen, Gebirge - das alles gibt es auch auf dem Meeresgrund", sagt er. An einigen Stellen ist der Boden besonders fruchtbar - dort treiben sich auch die meisten Fische herum.

Die Netze befestigen die Fischer an einer Boje, an einem schweren Anker sinken sie auf den Meeresgrund. Wenn die Männer die Trosse wieder in den Bauch des Bootes ziehen, sind sie gefüllt mit zuckenden Fischleibern. Die Tiere werden noch an Bord ausgenommen. Leber und Rogen schneiden die Männer heraus, die übrigen Innereien werden zurück ins Meer gespült. Vor der Luke warten schon die gierigen Möwen auf ihren Teil des Fangs.

Erst nach 14 Stunden ist der Bauch des Schiffes gefüllt. Am Hafen werden die Kisten mit Fisch und Eis ausgeladen - der letzte Arbeitsschritt für die Fischer an diesem Tag. Am nächsten Tag müssen sie noch das Schiff säubern, dann haben sie einige Tage Urlaub. Erst Mitte Mai laufen sie wieder aus: Dann beginnt die Hummer-Saison.

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It is five o'clock in the morning, the sky over the harbor of Heimaey is still dark blue. The deck of the Glofaxi is only lit through the yellow light of the floodlights. It is the last day of the season for codfish on the Westman Islands. The fishermen have to pull up 25 tons today to fulfill the quota that has been assigned to them.

Captain Olafur goes out to the sea for 17 years now. Beforehand, he has been a gymnastics teacher - but fishery brings more money. "In a good season I can earn more money in a few month than I earned in a whole year before", he says. 4000 people live on the Westman Islands, many of them earn their money through fishery. In the summer, youth from all over Iceland come to the islands to work in the fish factories during their holidays.

The whole crew of the Glófaxi is hired by the owner of the ship - Captain Olafur also. Nevertheless, the payment of the men is bound to the quantity of fish they catch - and thereby depends on the skill of the captain mainly. He is the one who decides where to put out the long net-trosses. "Lava cliffs, plains, mountains - all pod that also exists on the bottom of the ocean", he says. In some places, the ground is more fertile. At these places, most of the fish roam around.

The nets are tied to a buoy, attached to a heavy anchor they sink to the seabed. When the men pull them up again, they are filled with twitching fish. The animals are disemboweled directly on board. The liver and the roe are kept, the rest of the intestines gets flushed back in the sea. The greedy seagulls wait for their share of the catch in front of the hatch.

After 14 hours of work, the body of the ship is filled. Back at the harbor, the boxes with fish and ice are unloaded - the last act for the fishers. During the next day, they have to clean the boat. Then they have a short holiday. The ship leaves the harbor at the middle of may for the next time – then the lobster seasons starts.

Sonntag, 22. April 2012

Gletscherlagune // Glacier Lagoon

© Torben Weiß





















Der Jökulsarlon ist die einzige Verbindung vom Gletscher Vatnajökull ins Meer. Haushohe Eisberge treiben langsam durch die Lagune, schieben sich knirschend aneinander vorbei. Einige sind von Schnee bedeckt, mit schroffen, weißen Abbruchkanten, andere sind fast durchsichtig, leuchten türkis oder dunkelblau.

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Jokulsarlon is the only connection between the glacier Vatnajokull and the sea. Icebergs as high as houses drift slowly through the lagoon and grind past each other. Some of them are covered in snow, with rugged, white edges. Others are nearly transparent and glow in turquoise or dark blue.

Freitag, 20. April 2012

Thorleifur, Bauer in Höfn / Thorleifur, farmer in Höfn

© Torben Weiß






















Thorleifur lebt auf einem Bauernhof in der Nähe von Höfn. Er ist 81 Jahre alt, fast so alt wie das Haus, in dem er geboren ist, und in dem er bis heute lebt. In der vergangenen Nacht hat er vier Kälbern auf die Welt geholfen, sie waren ungewöhnlich früh in diesem Jahr. Mehr als 450 Schafe hat er auf dem Hof, außerdem stehen auch noch ein paar Kühe im Stall. Über die Weide laufen Hühner und Gänse. Zu seinem Hof Hólar gehören 11.000 Hektar Land, er ist einer der größten in der Region. Früher lebten dort 20 Menschen, heute ist Thorleifur allein mit seiner Frau und einem Urgroßneffen, der ihm bei der Arbeit hilft. Sein erster Traktor, Baujahr 1974, steht schon lange im Technikmuseum von Höfn. Aber Thorleifur denkt nicht an Ruhestand. "Es gibt jeden Tag noch etwas zu erledigen", sagt er.

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Thorleifur lives on a farm near Hofn. He is 81 years old, nearly as old as the house, where he was born and where he lives up to now. Last night, one of his sheep gave birth to four calves, unusually early this year. He has got more than 450 sheep on the farm and some cows in the stable. Chickens and goose run over the pasture. To his farm called Hólar belong 11.000 hectare of land, it is one of the biggest in the region. In earlier days, 20 people lived there. Today, he is alone with his wife and a great grandnephew, who helps him with the work. His first tractor, built in 1974, is now exhibited in the technical museum of Höfn. But Thorleifur himself does not think about retiring. "There is something to take care of every day", he says.

Donnerstag, 19. April 2012

Fröhlicher Hummer in Höfn / Happy Lobster in Hofn

© Torben Weiß






















Die Stadt Höfn (sprich: Höp) ist in drei Himmelsrichtungen von Bergen umgeben. Aus einem Tal in der Ferne windet sich ein Ausläufer des Vatnajökull, des größten Gletschers Islands. Im Südosten der Stadt scheinen die Berge direkt ins Meer überzugehen. Viele der 1600 Menschen, die in Höfn leben, arbeiten auf See oder in den Fischfabriken. Nicht ohne Grund ist der Hummer ein Markenzeichen der Gemeinde - hier in einer besonders fröhlichen Fassung.

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The city of Höfn (spoken: Hup) is surrounded by mountains in three directions. Out of a valley in the distance winds an strecht of Vatnajokull, Icelands largest glacier. In the southeast of the city, the mountains seem to merge with the sea. Many of the 1600 people living in Höfn work on sea or in the fish factories. Not for nothing, the lobster is one of the trademarks of the municipality - here in an especially happy fashion.

Dienstag, 17. April 2012

Gufufoss

© Torben Weiß






















In den schneebedeckten Bergen sind die Flüsse nur als schmale, graue Spuren zu sehen. Weiter im Tal rauschen sie über die Kanten von Felsabbrüchen, ein wildes Schauspiel aus Wasser, Eis und weißer Gischt. Der Gufufoss (auf deutsch etwa: dampfender Wasserfall) liegt nahe der Bergstraße, die von der Hafenstadt Seydisfjördur ins Inland führt. Der Bach fließt zu schnell, um zu gefrieren, doch an den feuchten Felsen haften hunderte Eiszapfen. Nur wenige Meter weiter plätschert der Fluss gemächlich und umfließt vielarmig die Schneeinseln, die sich um einige schwere Findlinge gebildet haben.

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In the snow-covered mountains, rivers are only visible as small, grey traces. Further below in the valley they rush over the edges of rock crushes, a wild spectacle made of water, ice and spray. The Gufufoss (english: steaming waterfall) lies close to the mountain road which leads from the harbor city Seydisfjordur to the inland. The river flows too fast to freeze, but the wet rocks are covered with hundreds of icicles. Only a few metres further, the river calms and flows leisurely around the snow islands that have built around heavy stone blocks.

Auf nach Island // On the move to Iceland

© Torben Weiß
















Island prägt seine Bewohner; die rauen Gezeiten, die langen Winternächte, die kühlen, klaren Sommer. Hier leben noch Rentierjäger, Robbenfänger und Hochseefischer, Menschen, die die sich jeden Tag der Naturgewalt aussetzen, die in Island so entfesselt ist. Zugleich ist Island Heimat für junge Menschen, die nach Veränderung streben und ihre Umwelt nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten.
Gefördert durch ein Stipendium der VG BILD-KUNST reisen wir zu verschiedenen Jahreszeiten nach Island, um die Menschen und ihre Umgebung in einem umfassenden Reportageband zu portraitieren. Wir dokumentieren traditionelle Berufe, und zeigen wie sie noch immer das gesellschaftliche Leben prägen: Die Fischerei, die Jagd, die Schaf- und Pferdezucht, nahezu verschwundene Tätigkeiten wie die Ernte der Eiderenten-Daunen. Analog dazu betrachten wir die Lebensart vor allem junger Menschen in der Stadt. Was prägt ihren Alltag? Wohin richtet sich ihr Blick? Als verbindendes Element zwischen Stadt und Land, zwischen Tradition und Moderne, wenden wir uns den Isländern und ihrem Zuhause zu, das ebenso kreativer Raum sein kann wie Rückzugsort vor Wind und Wetter.

Torbens erstes Buch "Zuhause in Island" ist 2011 im Ergeschoss-Verlag erschienen.

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Iceland shapes its inhabitants: The rough tides, the long winter nights, the chilly, bright summers. Reindeer hunters and sea fishermen are still exposing themselves to the force of nature every day, which is so unleashed in Iceland. The same time, Iceland is home for young people, who strive for change and want to shape their environment according to their own wishes.
Funded through a scholarship by the VG Bild-KUNST we spend time in Iceland in different seasons, to get an overall impression of the people and their surroundings. We document traditional professions, like fishing, hunting, sheep and horese breeding and nearly vanished activities like the harvest of the down of eider ducks. Our aim is to find out, how these still influence society life today. Furthermore, we look at the life style of young people in the city. What is important in their everyday life? Where do they want to go in the future?
The connecting element between city and countryside, between tradition and modern life, are the Icelandic people and their homes, which can be space for creativity as much as shelter from wind and weather.

Torbens first book "At Home in Iceland" appeared in 2011, published by Erdgeschoss.